„Einmaliger Vorgang“: Wirtschaftsweisen schicken Brandbrief an Veronika Grimm (2024)

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Von: Lars-Eric Nievelstein

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Siemens Energy will Veronika Grimm in ihren Aufsichtsrat wählen. Doch die anderen Wirtschaftsweisen sehen darin einen Interessenkonflikt und stellen ein Ultimatum.

Berlin – Die Geschichte nahm ihren Anfang mit einer unscheinbaren Pressemitteilung im Dezember 2023. Die Siemens Energy AG verkündete: „Mit Veronika Grimm steht eine ausgewiesene Expertin für Energiemärkte und Energiemarktdesign sowie für Wirtschaftsfragen zur Wahl in den Aufsichtsrat“. Doch die Tatsache, dass Grimm auch Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten Wirtschaftsweisen, ist, rief ihre Kollegen auf den Plan. Sie kontaktierten Grimm per E-Mail und setzten gleichzeitig hochrangige Regierungsmitglieder in Kenntnis.

Wirtschaftsweise Veronika Grimm in der Doppelrolle

Veronika Grimm, eine renommierte Wirtschaftsweise, wurde von Siemens Energy zur Wahl für den Aufsichtsrat aufgestellt. Neben ihrer Rolle als Wirtschaftsweise ist Grimm auch als Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg tätig und ist Mitglied des Nationalen Wasserstoffrats der Bundesregierung. Für Siemens Energy waren dies überzeugende Gründe, sie zur Wahl zu stellen, da das Unternehmen nach eigenen Angaben „entlang nahezu der gesamten Energie-Wertschöpfungskette“ agiert. Sein Produktportfolio umfasst unter anderem Gas- und Dampfturbinen, Generatoren, Transformatoren und Verdichter.

„Einmaliger Vorgang“: Wirtschaftsweisen schicken Brandbrief an Veronika Grimm (1)

Siemens Energy ist auch durch seine Beteiligung am Windkraftanlagenhersteller Siemens Gamesa Renewable Energy im Bereich der erneuerbaren Energien aktiv. Siemens Energy betonte damals, dass Grimm keine vergleichbaren Positionen in Kontrollgremien von in- oder ausländischen Wirtschaftsunternehmen innehat. Doch dies konnte die Bedenken der anderen Wirtschaftsweisen nicht zerstreuen.

Die vier anderen Mitglieder des Sachverständigenrats stellten Grimm vor die Wahl: Sie solle entweder das Gremium verlassen oder auf ihre neue Rolle im Aufsichtsrat der Siemens Energy AG verzichten. Dies war laut Handelsblatt ein „einmaliger Vorgang in der Geschichte des Sachverständigenrates“. In einer Mail, die dem Handelsblatt vorlag, forderten die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer und die drei Mitglieder Achim Truger, Ulrike Malmendier und Martin Werding Grimm auf, sich „für eines der beiden Mandate zu entscheiden“, sollte sie die Wahl in den Aufsichtsrat gewinnen.

Sachverständigenrat aktiviert Minister – „Keine gute Idee“

Besonders bemerkenswert war, dass die besagte E-Mail nicht nur an Grimm adressiert war, sondern auch an den Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Bert Rürup, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrats, äußerte seine Verwunderung über dieses Vorgehen. „Das Verfahren überrascht mich sehr. So eine Vorgehensweise kenne ich aus meiner Zeit als Vorsitzender des Sachverständigenrats nicht“, zitierte das Handelsblatt Rürup. „Einen Brief an einen Kollegen oder eine Kollegin zu schicken und gleichzeitig den Wirtschaftsminister und den Kanzleramtschef in Kopie zu setzen, wäre mir nicht eingefallen.“

Ähnlich denkt auch der Wirtschaftsweise Martin Werding nun über die Entscheidung. Im Interview mit der Wirtschaftswoche sagte er: „Im Nachhinein betrachtet war das keine gute Idee.“

Große Sorgen bei den Wirtschaftsweisen – Interessenskonflikt vorprogrammiert?

Ulrike Malmendier, eine der Wirtschaftsweisen, äußerte „Große Sorgen“ hinsichtlich Grimms Rolle bei Siemens Energy. Der Konzern hatte erst kürzlich Staatsbürgschaften in Höhe von 7,5 Milliarden Euro erhalten und erhofft sich zudem Aufträge durch die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. „Ich und auch die anderen drei Ratsmitglieder machen uns in diesem Fall große Sorgen“, äußerte sie in einem Interview mit der Zeit. Ihrer Meinung nach hätte Grimm ihre Rolle im Aufsichtsrat später antreten oder ihr Mandat im Sachverständigenrat niederlegen sollen.

Malmendier warnte bereits vor den potenziellen Auswirkungen von Grimms Aufsichtsratsarbeit auf die Beratungen der Wirtschaftsweisen. „Wenn wir Veronika in Zukunft von Beratungen über grünen Wasserstoff oder Windenergie ausschließen müssen, wäre das eine Katastrophe, das ist ja ihr Fachgebiet.“

Robert Habeck wiederum gab dazu an, das Gesetz sehe „keine Ausschlussregeln bei Interessenskonflikten“ vor. Bei einer Pressekonferenz sagte er, er „denke, die Kollegen sind schlau genug, um Interessenskonflikte zu vermeiden“.

Volker Wieland, einst ebenfalls Wirtschaftsweise, beteiligte sich neben Bert Rürup an der Debatte. Er äußerte: „Wissenschaftler in Aufsichtsräten gibt es öfters“. Er fügte hinzu, dass dies für den Rat sogar vorteilhaft sei, da Grimm so praktische Einblicke in die Wirtschaftsrealität gewinnen könne. Auch die ehemaligen Ratsmitglieder Wolfgang Franz, Jürgen Donges und Beatrice Weder di Mauro hatten Positionen in diversen Wirtschaftsräten inne.

Grimm sieht keine Probleme bei Rolle im Aufsichtsrat

Politische Beobachter haben möglicherweise eine andere Ursache für diese Auseinandersetzung identifiziert. Laut Berichten des Handelsblatts besteht schon seit geraumer Zeit eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Ratsvorsitzenden Schnitzer und Veronika Grimm. Bei Themen wie der Schuldenbremse, Steuererhöhungen oder Subventionen vertraten die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinnen unterschiedliche Standpunkte. Schnitzer neigte eher zu den Ansichten der SPD und der Grünen, während Grimm die Politik Habecks wiederholt kritisierte und sich beispielsweise gegen den Atomausstieg aussprach.

Trotz allem beabsichtigt Grimm, ihre Tätigkeit bei Siemens aufzunehmen. Sie lehnte bisher einen Verzicht ab und schrieb an ihre Kollegen: „Wie Ihr wisst, ist eine Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat in einer deutschen Aktiengesellschaft rechtlich nicht zu beanstanden“.

AufIPPEN-Anfrage sagte ein Sprecher der Wirtschaftsweisen: „Die vier nicht betroffenen Ratsmitglieder sehen übereinstimmend, dass in dieser Konstellation mögliche Interessenkonflikte bestehen. Diese berühren die Arbeit des Sachverständigenrates in Kernbereichen. Denn die anstehende Energietransformation ist von herausragender wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung.“ Die vier Ökonomen seien davon überzeugt, dass diese Doppelrolle die Wahrnehmung des Rates „als unabhängiges Beratungsgremium beeinträchtigen“ könnte.

Die Redakteurin oder der Redakteur hat diesen Artikel verfasst und anschließend zur Optimierung nach eigenem Ermessen ein KI-Sprachmodell eingesetzt. Alle Informationen wurden sorgfältig überprüft. Hier erfahren Sie mehr über unsere KI-Prinzipien.

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